Montag, 30. Juni 2008

Kulturschock Neuseeland: wirklich ein Kulturschock?




Neuseeland, eine kleine Insel, der westlichen Welt zugehoerig. Mindestens so wie wir in Europa. Das dachten wir, bevor wir aus dem Flugzeug traten.
Doch das Land der Kiwis ist doch ein bisschen anders, als wir Deutsche es uns erdenken. Natuerlich ist es als Reiseland fuer einen jeden aus der Enge Deutschlands Kommenden ein Traum. Gross (da nur 4 Mio. EW), freier und lockerer!
Aber dann hoert es auch schon wieder damit auf. Unser Gefuehl, nach einigen Tagen und Wochen hier mit Kiwis zusammenleben, offenbart uns ein Mehr an Impressionen, die weit ueber den atemberaubenden Landschaften und Meeresbrandungen liegen.

Wie Menschen hier leben, traeumen und die Traeume gelebt werden.

Eine dominierende Assoziation ist der Eindruck, dass hier die Zeit wie in Deutschland vor 30 - 40 Jahren ist. Die Tatsache, dass Neuseeland eine ehemalige Kolonie von Grossbritannien ist, eine Insel, einst vorrangig bevoelkert von Landwirten, hat dem Land einen Stempel verpasst, der bis heute noch zu sehen ist.
Wo sich Geographen ueber den Weg laufen

Es scheint die Deutschen sehr nach Neuseeland zu ziehen. Ueberall deutsche Auswanderer und auch deutsche Studenten. Dazu ein Schwank aus dem Reisealltag: einen Tag, nachdem wir in Dunedin angekommen waren, gingen wir in ein Internetcafe auf der Hauptgeschaeftsstrasse. Als wir die Stufen zurueck zur Strasse hinablaufen, trauen wir unseren Augen kaum, als wir einen unserer Heidelberger Geographie-Kommilitonen mit zwei Neuseelaendern sich unterhalten sehen. Keiner wusste, dass der andere hier unterwegs ist. Es stellte sich schnell heraus, dass noch ein anderer Heidelberger Geograph vor Ort ist, den wir dank neuseelaendischer Freundlichkeit in der Univerwaltung schnell ausfindig machen konnten (undenkbar in unserem Studentensekretariat in Heidelberg!). Und so verbrachten wir den Rest des Tages in trauter Heidelberger Geographen-Viersamkeit und tauschten uns aus ueber die Uni und die Welt.
Schuluniform, Maedchen

Aus Gespraechen und Beobachtungen zeigt sich bei den Maedchen in den Schuluniformen eine Form der patriarchialen Unterdrueckung. Nicht Elise, sondern mir fiel es auf. Es war ein Gefuehl, was mir von Maedchen bestaetigt wurde. Genauso wie in Indien, werden die Maedchen in Saecke gesteckt oder wie Maedels erzaehlt haben, in zu enge Uniformen, welche den Oberkoerper zusammendruecken. Scham und Asexualitaet sind vorherrschend. Augenfaellig ist auch die Dominanz der christlichen Religion. Freikirche neben Freikirche. Der Einzelne hat nur eine Moeglichkeit. Mitmachen oder Outlaw, das heisst Freikarte in die Hoelle.

Der Artikel ueber die Unterdrueckung der Frau in Indien wird durch diese Erfahrung in ein neues Licht gerueckt! Wir sind hier im Westen! Und Maenner und einige herzlose Frauen fuehren auf die gleiche subtil plumpe Art eine Sozialisierung des Weiblichen durch mit dem Resultat der Unterdrueckung des Koerpers, der Oeffnung des Herzens und der Entfaltung der weiblichen Sexualitaet. Denn unabhaengig von der Uniformitaet bei den Jungs und Maedels mittels Schuluniform, geniessen die maennlichen Schueler mehr Freiraum, was schon alleine im Schnitt der Uniform ersichtlich wird.

Das Verrueckte ist, dass den Maedchen per Gesetz verboten ist, Hosen anzuziehen! Alice Schwarzer wuerde schaeumend am Boden liegen, wenn sie so etwas hoeren wuerde! Das bedeutet in der Praxis, dass die Maedels im Winter sich so ziemlich alles abfrieren, was man sich abfrieren kann. Lange Hosen sind verboten! Und im Sommer tritt das Problem auf, dass das Wechseln der Schuluniform sich als schwierig erweist, da es Tradition ist nur eine zu besitzen. Das ganze Schulleben lang, ausser man waechst derart aus dem Kleidungsstueck heraus, dass man auch mit Hilfe nicht hineingezwaengt werden kann.

Wieso macht hier eine ganze Nation mit? Wir schreien und schimpfen ueber die arabischen Nationen und was machen wir hier? Da haben die Maedels im Iran mehr Freiheit unter ihrem Hidschab als die Neuseelaendsichen Maedels in ihrer Uniform! Denn wenn es um Mode geht, dann sind die arabischen Frauen den westlichen ebenbuertig. Nur ist das ganze durch den Schleier verdeckt.

Hippies und Meinungen (wird nicht neuseelandtypisch sein)

Schon mal ehemalige Hippies schockiert ueber Neohippie-Verhalten von anderen erlebt?
Wir schon.
In Dunedin hatten wir die Moeglichkeit die offensten Menschen in der ganzen Stadt kennenzulernen. Waren mal Hippies gewesen, so mit Kommune und Aussteiger und so. Heute mit Villa und Jeep. Wurden hofiert und eingeladen, alles sehr locker bis zu einem Zeitpunkt, als wir den Hippies zu hippig wurden. Dann fielen die Masken und uns offenbarte sich das wahre Verstaendnis, was unter Hippie von unseren Gastgebern verstanden wurde. Ohne jemals zu erfahren, was das eigentliche Problem bei diesen Menschen war, wurden wir aus dem Haus geworfen. Freundlich, wie sie waren, sorgten sie gleich noch dafuer, dass wir auch aus dem naechsten Haus geworfen wurden und vergassen auch nicht uns fuer das Wochenende zum Abendessen einzuladen. Es war ja nichts geschehen, nichts war ausgesprochen worden, somit war fuer unsere Althippies auch nichts existent.

Die jeweilige Hippie-Welt scheint eine geschlossene Wertegesellschaft zu sein, zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort geltend. Die Offenheit hat eine Grenze und zwar da, wo sie droht die eigene Person mit dem dazugehoerigen Weltbild in Frage zu stellen. Nehme ich die Chance wahr und ruettele an meinen eigenen doch irgendwann festgefahrenen Konzepten oder bleibe ich haengen an der Idee des Hippietums, die nur noch in meiner Erinnerung existiert?

P.S.: Elise dachte frueher, dass KIWI von der Frucht und nicht von den hier typischen Voegeln herruehren. Man kann nicht alles wissen... ausserdem essen die hier so viele Kiwis!

Wo ist die Party? Oder wider der Decartschen Un-sinn-s-philosophie

Soeben beim Hoeren von schweissigen Beats auf einer gefundenen CD faellt uns auf, dass wir in den Metropolen Mumbai, Bangkok und Sydney waren, und in Goa..., ohne eine einzige Electro- oder sonstwie-Party mitzunehmen. Im Rueckblick wirklich doof. Wir haetten einen Partyvergleich veroeffentlichen koennen. Wer macht die krassesten Parties? Die Inder, zumindest die, die sich eine Electro-Party leisten koennen? Die energischen Thais, die reicher sind als 10 Bohrinselarbeiter?

Wechselwirkung Koerper - Geist

Dabei faellt uns mal wieder die tiefe Wirkung von Musik auf: ueber die Wahrnehmungsorgane erst auf den Koerper, um schliesslich beim Geist zu landen.

Die Wechelwirkung, die Erinnerung in den Zellen sitzend, die bei dem richtigen Reiz selbst zu Reizern werden und dann Verlangen heraufbeschwoeren. Ich glaube Descartes haette lieber mal so richtig feiern sollen und nicht in seiner kalten Bude in Frankreich sitzen um an seinen Meditationen zu feilen. Dann waeren wir heute sicherlich einen SCHRITT weiter.

Und schon sitzen wir hier und denken: wo ist die naechste Party? Aber wir sitzen gerade im Keller eines Einfamilienhauses in einem der Aucklander Wohngebiete, es ist Nachmittag und bis zur naechsten Party ist es noch ein bisschen....

Und das ist das Video, das wir jetzt gerade in diesem Augenblick fuer Euch machen:

Goodbye, Australia!

Zwei Dinge sind klar geworden: fuer eine Australienreise braucht man Zeit - das Land ist so riesengross, ausserdem sind die Landschaften so weit, dass man grosse Strecken zuruecklegen muss, damit sich die Aussicht veraendert - und Geld - zum Vergleich: wir haben in 11 Tagen Australien genauso viel Geld ausgegeben wie in 3,5 Monaten in Indien!

11 Tage haben waren nur ein Vorgeschmack auf Land und Leute. Soviel bleibt unentdeckt: die ganze Welt der Aborigines, der Sueden, der Westen, der Norden, Zentralaustralien.

An dieser Stelle noch ein Dankeschoen an die australischen Flughafenangestellten in Sydney, die unsere Wanderstiefel von den dicken Schichten indischen Drecks befreit haben - aus Angst vor Krankheiten fuer die einheimischen Tiere, Pflanzenwelt und Menschen. Wusste ich doch, dass ich die Stiefel nicht selber putzen brauche!

Und noch mein Mitgefuehl fuer die einsamen australischen jungen und alten Farmer. Habe heute eine Sendung aus dem australischen Fernsehen gesehen. Sie traegt den Namen "The farmer wants a wife" (auf deutsch: der Farmer will eine Ehefrau"). Und das ist blutiger Ernst. Die Farmer bewerben sich, laden ihr Profil hoch, es melden sich beim einen mehr und beim anderen weniger Frauen, aus denen jeder jeweils zehn aussucht, die in die Sendung eingeladen werden. Das heisst in jeder Sendung sechs Farmer mit ihren zehn vorausgewaehlten Frauen, also 60 Frauen. Jeder darf mit jeder fuenf Minuten sprechen, danach darf der Farmer fuenf von den zehn auswaehlen und die uebrigen Maedels heimschicken. Mit den fuenfen gibt es Gruppengespraeche. Die danach zwei Ausgesuchten kommen fuer zwei Wochen mit auf die Farm und dort entscheidet sich, wer die letztlich Auserwaehlte sein wird. Wenn die Farm so gross, der Alltag so lang, kein Urlaub in Sicht und der naechste Nachbar Stunden oder Tage entfernt ist, kann es schon schwer werden einen Partner fuers Leben zu finden. Diese Sendung wird leider nur ein Tropfen auf den heissen Stein sein, verdeutlicht aber zumindest die traurige Problematik, in der sich junge australische Farmer wiederfinden.

Brisbane

Als Grossstadt wesentlich angenehmer und lebenswerter erscheint einem da schon Brisbane im Vergleich zu Sydney. Ausserdem ist es waermer. Mehr gibt es nach zwei Tagen dort nicht zu sagen. Erwaehnenswert ist noch der Italienische Auswanderer, der im Glockenturm ueber der Stadthalle in einem Aufzug arbeitet und sich seinen Spass erlaubt mit den fahrenden Gaesten: in verschiedenen Sprachen, so kontaktfreudig, anders geht es auch nicht in der Fremde.
Nette Architektur in der Innenstadt.

1984 und die totale Ueberwachung oder wie Australien Hobbes wurde

Vor einigen Jahren erhielt ich ein altes Video aus den Endachtzigern, ueberspielt auf eine DVD (ja, so fangen immer die ganzen Politthriller an, ich weiss). Da ging es dann um den BND, Ueberwachung und Orwell de luxe. Nun, der gute BND Agent hat dann ein bisschen aus dem Naehkaestchen geplaudert, was so abgeht, und da ich ja das Filmchen vor einigen Jahren angeschaut habe, konnte ich, zurueck in der westlichen Welt, erkennen, dass der Gute nicht Unrecht gesprochen hat.
Das Video wurde in Sydney aufgenommen und als wir in Australien angekommen waren, haben wir dann auch erste Kontake mit Orwell und seinen Freunden gehabt. Totale Kontrolle, Videokameras, versteckt und oeffentlich, Aufforderung zu Denunziation von Mitmenschen mittels Werbung und Hotline.
Meines Erachtens spiegelt sich auch hier die anglophile Phobie vor dem Menschen wider. Der Mensch ist seit Hobbes von Grund auf boese und schlecht, welches keine Herrschaft und kein Dasein im Frieden gewaehrleisten kann. Hierfuer muss ein absoluter Leviathan erschaffen werden, und sei es mit Videokameras und Werbebotschaften. Angst muss man vor ihm haben, dass er ueberall gegenwaertig ist und jeden Boesen strafen und vernichten kann.
Gerade die enge Bindung von Australien mit dem Ex-Mutterland haben diese Tendenzen "rueberschwappen" lassen. Sicherlich gibt es einige (habe keine in Australien getroffen), welche dem Ganzen kritisch gegenueberstehen. Aber man sollte sich eines klar machen: Die totale Ueberwachung gibt es nicht, und die momentane Ueberwachung funktioniert vielleicht in den Grossstaedten, aber diese befinden sich an den Kuestenstreifen. Und Australien mit der Groesse von Europa mit 20 Millionen Einwohnern zu ueberwachen ist vielleicht ein interessanter Versuch, aber das war es auch schon.

Vielleicht wissen das auch die Australier und fahren deswegen bei Knallrot ueber die Ampel und sch*** auf sonstige Regeln und Vorschriften, an welche sich jeder Deutsche beflissen haelt (grins). Wenig Einwohner, wenig Polizei und ein ueberdimensioniertes Land sind sicherlich eine sehr interessante Experimentierflaeche fuer den totalen Ueberwachungsstaat. Hobbes laesst gruessen!

Campervan, Kaenguruhs und Koalafell

Frei nach dem Motto:Mit Wickedcamper durch Australien heizen. Ein Stueck Freiheit wieder ein fahrendes Gefaehrt unter dem Hintern zu haben. Da Hans-Joerg keinen Fuehrerschein auf die Reise mitgenommen hat (warum auch immer) und die Familie zu Hause ihn auch nicht in den vielen kleinen Boxen aufstoebern konnte bisher, musste ich meinen ganzen Mut zusammennehmen und mich hinter das Steuer dieses brummenden, rumpsenden Ungetuems setzen. Nachdem ich auf dem Weg vom Abhol-Depot zur Tankstelle nach wenigen Metern schon fast zu meiner Linken ein parkendes Fahrzeug gerammt und gleichzeitig zu meiner Rechten ein anderes Fahrzeug auf die Gegenfahrbahn geschuppst habe, haben wir erstmal an der Tankstelle gewechselt... Nach drei Tagen hatte ich mich sowohl an das grosse Auto gewoehnt, als auch daran, dass der Fahrersitz auf der linken Seite ist (und man dadurch immer das Gefuehl hat, dass man zu weit rechts auf der Spur unterwegs ist) und man links rum in den Kreisverkehr reinfahren muss.
Hatten alles drin, eine kleine "Kueche" und den Rest haben wir in ein grosses Bett verwandelt.Schrecklich kalt hier uebrigens nach acht Monaten Tropen. Sydney 15 Grad, ist Winter. Morgens im Auto hatte es manchmal nur 2 Grad...
Haben uns wie immer treiben lassen, so dass wir nach drei von den geplanten fuenf Tagen noch nicht einmal ein Drittel der 1100km hinter uns gebracht haben.
  • Blue Mountains - 80km westlich von Sydney, sehr schoene Landschaft.
  • den Pacifique Highway mit seinen anliegenden Tourist Drive Strassen, sehr malerisch. Und teilweise so unbefahren, dass wir die Kaenguruhs ueber die Felder haben huepfen sehen. Und teilweise auch weniger malerisch und bizarr:
  • Wildlife Park: haben uns von den Kaenguruh aehnlichen Wallabies aus den Haenden fressen lassen. Schlabbern und sabbern einem die Finger voll und sind so strunzdumm. Ist das Essen auf der Hand, so schaffen sie es gerade noch es zu finden. Legt man es auf den Boden (Tiere essen doch sonst auch vom Boden...), finden sie es einfach nicht, auch wenn man mit der Hand direkt drauf zeigt. Uns hat hier jemand erzaehlt, dass die Kaenguruhs so bloed sind, dass sie, wenn sie zwar von der Strasse, wenn man auf sie zufaehrt, von der Fahrbahn huepfen, es des oefteren geschieht, dass sie wieder zurueck auf die Fahrbahn gehuepft kommen, um sich zermatschen zu lassen (Rock these Fuckers down!).
Diese fuenf Tage haben uns so sehr Spass gemacht, dass wir entschieden haben, uns als naechstes Auto einen kleinen Schrottvan reinzulassen und ihn umzubauen in einen Campervan... ja, so wie die Jute-Strumpf-Oeko-Fritzen. So wird auch Reisen in Europa erschwinglicher, braucht man doch gerade fuer die Unterkunft und das taegliche Brot das meiste Geld.Diese Tage gehoeren zu den bisher schoensten unserer Reise.